Lübecker Nachrichten – 14.05.2018

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„Das ist einfach wunderschön“

Susanne Kamin war in der Oper und im Theater. Sie war beim Konzert im BrahmsInstitut und in der MuK beim Elbphilharmonie-Orchester. Es war großartig, sagt sie. Aber ohne die Kulturtafel hätte sie sich das als Hartz-IV-Empfängerin nicht leisten können.

// Lübeck. Die Kulturtafel gibt es jetzt seit einem Jahr. Sie vermittelt kostenlose Konzert- oder Theaterkarten an Menschen, die wenig Geld haben. Mehr als 1300 Kunden stehen inzwischen in der Kartei, sagt die Geschäftsführerin Kristine Goddemeyer. Gut 3800 Tickets haben sie vergeben können – Tickets für Plätze, die sonst frei geblieben wären. Fast alle Lübecker Kultureinrichtungen machen mit und stellen sie gratis zur Verfügung, ebenso externe Veranstalter und Privatleute. Mit den Lübecker Museen laufen Gespräche.

Susanne Kamin (53) ist seit dem vorigen Sommer dabei. Sie bezieht seit vier Jahren Hartz IV, ist vorher kulturell viel unterwegs gewesen und hat es als tiefen Einschnitt erfahren, als das plötzlich nicht mehr ging, „absolut“. Dank der Kulturtafel kann sie jetzt wieder teilhaben und auch noch jemanden mitnehmen. Und zwar ohne sich an der Kasse als bedürftig ausweisen zu müssen. „Ich kann da wie jeder andere ganz entspannt hingehen“, sagt sie. „Das ist einfach wunderschön.“

„Man kommt mal wieder aus dem Alltag raus und macht etwas Besonderes“, sagt Susanne Buchholz (36), eine alleinerziehende Mutter. Sie war schon dreimal mit ihren beiden Kindern im Theater und einmal mit ihrer Mutter. Gerade auch für die Kinder sei das wichtig, weil sie in der Schule etwas zu erzählen hätten. „Im Theater Combinale, das war der Hammer. Man ist ja in einer Situation, für die man nichts kann. Da ist es schon toll, wenn man so etwas bekommt. Ein solches Geschenk.“

Susanne Kamin schreibt der Tafel kleine Rezensionen, wenn sie in einer Veranstaltung war. Überhaupt gebe es viele und oft sehr berührende Rückmeldungen, sagt Kristine Goddemeyer. Sie erzählt von einem Herrn, der die Oper für sich entdeckt hat. Von einem Rentner, der zum Jazzfan wurde. Von einer Dame, die ihre Menschenscheu überwand und die Veranstaltung ganz beseelt wieder verließ.

Es ließen sich immer noch neue Nutzer in die Kartei aufnehmen, sagt die Geschäftsführerin. Manchmal unter Tränen, weil dann persönliche Schicksale wieder hochkämen. Es habe jedenfalls noch keine Woche ohne Anmeldung gegeben. (int)

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