Ich habe mich total gefreut.
Menschen mit wenig Geld können sich Theater oder Konzerte oft nicht leisten. Dank der KulturTafel geht es doch. Und der Bedarf ist groß.
// Lübeck. Im Mai ist die Lübecker KulturTafel an den Start gegangen, seither haben sich mehr als 530 Menschen mit geringem Einkommen in die Kartei aufnehmen lassen. Sie erhalten kostenlos Karten für Theater, Konzerte, Lesungen oder andere Veranstaltungen, die von Kulturhäusern und Privatleuten zur Verfügung gestellt werden. Karten, die sie sich sonst kaum oder gar nicht leisten könnten.
Eine von ihnen ist Barbara Bates (56). Sie ist Kauffrau von Hause aus, hat aber derzeit einen 1,50-Euro-Job als Integrationshelferin in einer Schule. Jetzt war sie im Theater Combinale, mit ihrem Sohn Oliver (24), denn die Karten werden grundsätzlich doppelt ausgegeben. „Es war großartig“, sagt sie. „Wenn man wenig Geld hat, denkt man ja an Kultur zuletzt.“
Früher war sie regelmäßig im Theater, in der Oper, im Konzert. Sie hatte von der KulturTafel bei der Lebensmitteltafel erfahren, sich registrieren lassen und bekam schon nach recht kurzer Zeit einen Anruf. „Hasenkind du stinkst“ hieß die Lesung, ein Abend mit Florian Hacke über die Freuden und Leiden eines jungen Vaters.
„Ich habe mich total gefreut, mein Sohn hat sich gefreut, wir hatten einen schönen Abend“, sagt sie. Und sie haben auch gleich nette Leute getroffen, wie so oft bei Kultur-Veranstaltungen. „Man ist nicht im Netz, man ist nicht online. Man lernt hier Menschen kennen, das ist doch auch schön.“
Und überhaupt nicht zu unterschätzen, sagt Kristine Goddemeyer, die Geschäftsführerin der KulturTafel. Die soziale Komponente spiele eine große Rolle: „Man fühlt sich wertgeschätzt und respektiert.“ Sie erhielten Rückmeldungen von Menschen, die teils zwölf Jahre nicht im Theater waren und sich bedankten, dass es jetzt wieder möglich war. Manche seien aber auch unsicher und hätten Schwellenangst. Sie trauten sich nicht allein in die MuK oder sagten, sie könnten nicht ins Theater, weil sie kein Abendkleid besäßen. „Wenn wir diese beratende Funktion nicht hätten, würden diese Leute nicht kommen“, sagt sie.
Etwa zwei Dutzend Lübecker Kulturinstitutionen stellen bislang Karten zur Verfügung. Das Schleswig-Holstein Musik Festival, das Theater Lübeck und die MuK waren gleich zu Beginn dabei, inzwischen sind weitere hinzugekommen. Das Hansemuseum ist darunter und das Theater Partout, das Volkstheater Geisler, das Figurentheatermuseum, die Freilichtbühne Lübeck und Kunst am Kai, der CV JM, die Kulturbühne Travemünde, das Theater Fidelio und die Lübecker Museumsnacht.
Vom Lauten-Festival gab es 30 Karten, von der MuK für das Till-Brönner-Konzert am Dienstag 60, die unter anderem an das Lübecker Frauenhaus gingen. Der Zirkus Roncalli hat für seine Lübecker Shows im Juli und August gleich 100 Tickets zur Verfügung gestellt. Bei Familienveranstaltungen wie dieser werden dann auch mehr als zwei Karten ausgegeben. Und zwar häufig an Familien mit nur einem Elternteil, denn Alleinerziehende sind in der Kartei zahlreich vertreten. „Eine Mutter sagte, sie möchte, dass ihre Kinder in der Schule auch mal mitreden und etwas Schönes erzählen könnten“, sagt Kristine Goddemeyer.
Inzwischen erhält die Tafel auch Karten von Privatleuten. Eine Gruppe, an die die Geschäftsführerin anfangs gar nicht gedacht hatte. Aber melden sich dann Menschen wie jene Frau, die zwei Theaterkarten – zu je 52 Euro – nicht verfallen lassen wollte. Oder wie der Mann, der das Abo seiner verstorbenen Mutter spendete und damit einer älteren Dame eine Freude machte, die im Saal der MuK von den neben ihr sitzenden Freundinnen der Verstorbenen gleich freundlich aufgenommen wurde.
Bei den Karten von Theatern und anderen Einrichtungen handelt es sich um nicht verkaufte Tickets. Um Karten für Plätze also, die sonst leer blieben. Es werden daher zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Aufführungen finden vor besser gefüllten Rängen statt, und im Zuschauerraum sitzen Menschen, die sonst draußen geblieben wären.
Ziel ist es, den Interessenten etwa alle vier bis sechs Wochen eine Karte vermitteln zu können. Gerade auch die regelmäßige Teilnahme sei wichtig, sagt Kristine Goddemeyer. Und inzwischen ziehe die Idee weitere Kreise. So habe sie Anfragen aus Lüneburg und Schwerin erhalten, wo ebenfalls Kulturtafeln gegründet werden sollen und wo man interessiert war an den Lübecker Erfahrungen. (Peter Intelmann)