KulturTafel jetzt auch in Lübeck
Vom Preacher Siam bis zur Oper: Freie Plätze werden jetzt kostenlos angeboten
In 60 deutschen Städten gibt es sie bereits. Nun auch in Lübeck: die KulturTafel. Vergangene Woche wurde die Idee von Geschäftsführerin Kristine Goddemeyer im Büro in der Wahmstraße 71 vorgestellt.
Den Begriff „Tafel“ kennt bei uns jede und jeder. Bedürftige bekommen kostenlos Lebensmittel, die in den Geschäften nicht mehr verkauft werden oder die „überfällig“, aber durchaus noch zum Verzehr geeignet sind. Das Kulturkonzept lehnt sich an diese Idee an. Kristine Goddemeyer hat die Sache in Hamburg kennen gelernt und nach Lübeck mitgebracht. Kulturelle Institutionen melden kurzfristig nicht verkaufte Plätze für Veranstaltungen an das Büro der KulturTafel. Hierhaben sich Interessierte angemeldet, denen es wirtschaftlich nicht gut geht. Das Büro tritt als Vermittler auf. Per Telefon werden die Karten den Interessenten angeboten. Dem Veranstalter werden die Namen mitgeteilt. Die betreffenden Besucher holen sich an der Abendkasse das Ticket unter Nennung ihres Namens ab. Sie brauchen sich also in der Schlange vor der Kasse nicht erneut als bedürftig ausweisen. Auf diese Weise soll eine Stigmatisierung vermieden werden. Die Karten gibt es im Doppelpack, damit niemand allein ins Konzert oder ins Theater gehen muss und sich in der Pause nur mit sich selbst beschäftigen kann. Die Bedürftigkeit werde nach festen Kriterien überprüft, sagt Frau Goddemeyer. Und auch den telefonischen Kontakt der ehrenamtlichen Mitarbeiter zu den Empfängern hält sie für sehr wichtig. Wünsche werden bei der Anmeldung erfragt beziehungsweise können auf dem Formblatt angekreuzt werden. Das mögliche Angebot ist vielgestaltig, nennt die Rubriken Theater, Oper, Klassische Musik, Jazz/Weltmusik, Rock/Pop, Kabarett/Comedy, Museum; Ausstellung, Lesung/Vortrag, Kino, Kinderveranstaltungen.
Kultursenatorin Kathrin Weiher findet die Idee hervorragend, gerade für Lübeck als „gefühlte Kulturhauptstadt“. Sie habe bisher angenommen, dass auch Menschen ohne großes Einkommen über die LübeckCard oder das Sozialticket Teilhabe an der Kultur ermöglicht werde. Die neue Idee aber leuchte ein und erfasse vielleicht andere Kreise. Frau Weiher erinnerte daran, dass es viele Alleinerziehende gibt. Bei etlichen Programmen könnten alleinerziehende Mütter oder Väter gemeinsam mit den Kindern die Veranstaltungen besuchen.
Kristine Goddemeyer sprach von einer Win-Win-Situation. Es ergebe sich automatisch auch ein Mehrwert für die Kulturinstitutionen. Denn Nichtbesucher können zu zahlenden Besuchern von morgen werden, wenn die finanzielle Situation sich verändert. Die Institutionen könnten ihr Angebot auf breitere Schichtenverteilen und so ihrem Bildungsauftrag noch besser gerecht werden. Daneben könnten Kulturveranstalter ihre Platzauslastung erhöhen, denn an einer schlecht besuchten Veranstaltung sind weder Akteure noch zahlende Besucher interessiert. Das habe wohl auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck gemeint, der bei der Einweihung der Hamburger Elbphilharmonie darauf hinwies, dass auch Menschen erreicht werden müssen, die bisher nicht in Konzerte gingen. Frau Goddemeyer zitierte den großen Opernkomponisten Giuseppe Verdi: „Plätze sind dazu da, um besetzt zu werden, nicht um leer zu bleiben!“
Dass die Idee verstanden wurde und angekommen ist, machten bei der Vorstellung Geber und Nehmer deutlich. Pastor Dr. Bernd Schwarze, zuständig für das Programm in der Kulturkirche St. Petri, überreichte Karten für das nächste Poetry-Slam. “Tickets to Heaven“ lautet das Motto der Veranstaltung aus der Reihe „Preacher Siam“. Pastoren oder andere kirchliche Mitarbeiter treten dabei gegen professionelle oder halbprofessionelle, also erfahrene „Slammer“ an. Auf der anderen Seite überreichte Oliver Würthen, Leiter der Sozialläden NOVI-LIFE, bereits ausgefüllte Bewerbungen zur Aufnahme in die Kartei der KulturTafel. (TD)