Kulturgenuss darf nicht am fehlenden Geld scheitern. Deshalb vermittelt die Lübecker Kulturtafel nicht verkaufte Eintrittskarten an Menschen mit geringem Einkommen. Am Montag wird die Initiative fünf Jahre alt.
Lübeck (dpa/lno) – Seit fünf Jahren bringt die Kulturtafel Lübeck bedürftige Menschen ins Theater oder Konzert. Mehr als 50 000 Eintrittskarten habe die Tafel seit ihrer Gründung am 2. Mai 2017 bereits an ihre Kulturgäste vermittelt, sagte die Geschäftsführerin Kristine Goddemeyer. Zu den Empfängern zählten Alleinerziehende ebenso wie Rentner oder Arbeitslose.
Eine der Nutzerinnen ist Evelyn Baumgärtel. Die 47-Jährige und ihr sechsjähriger Sohn sind von Anfang an dabei und zählen zu den eifrigsten Nutzern der Kulturtafel. «Ich liebe Musik und Theater, aber als Alleinerziehende in Ausbildung könnte ich mir die Eintrittskarten nur sehr selten leisten», sagt sie. «Es ist mir aber wichtig, vor allem meinem Sohn Kulturerlebnisse zu bieten, damit er ein Interesse daran entwickeln kann.» Wie Baumgärtel denken viele. «Wir haben inzwischen mehr als 2000 Kulturgäste, wie wir unsere Nutzer nennen», sagt Goddemeyer. Sie müssen sich einmal anmelden und dabei einen Einkommensnachweis, wie einen Rentenbescheid oder einen Bescheid über den Bezug von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung vorlegen. Dabei können die Nutzer auch Interessengebiete angeben.
Gespendet werden die Tickets von Theatern, Museen und Konzertveranstaltern, die nicht verkaufte Eintrittskarten an die Kulturtafel weitergeben. «Ich war schon in einem Orgelkonzert, aber auch im Theater», sagt Baumgärtel. «Zuletzt war ich mit meinem Sohn in einer Kinderoper. Wir beide hatten viel Spaß.» Neuerdings meldeten sich vermehrt Menschen, die durch die Corona-Pandemie ihre Jobs verloren hätten, sagt Goddemeyer. «Außerdem rechnen wir damit, dass auch Geflüchtete aus der Ukraine zu uns kommen werden. Kultur bietet schließlich etwas Ablenkung von ihren Sorgen», sagt sie.
Bundesweit gibt es mehr als 30 Organisationen unterschiedlicher Träger, die sich die kulturelle Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen zu Aufgabe gemacht haben. Kennengelernt habe sie die Idee einer Kulturtafel in Hamburg, sagt Goddemeyer. «Als ich nach Lübeck zog und feststellte, dass es hier zwar viel Kultur, aber kein entsprechendes Angebot für Menschen mit geringem Einkommen gab, habe ich beschlossen, selbst eine zu gründen», sagt sie. Inzwischen hat auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Arbeit Goddemeyers und ihres ehrenamtlichen Teams gewürdigt.
Neben der Vermittlung kostenloser Eintrittskarten hat die Kulturtafel in der Corona-Pandemie auch sogenannte Haustür-Konzerte mit Lübecker Musikern organisiert. «Das waren oft bewegende Erlebnisse sowohl für die Zuhörer, die in den Genuss eines Privatkonzertes kamen, als auch für die Künstler, die endlich mal wieder vor Zuhörern spielen konnten», sagt Goddemeyer.
© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH / von Eva-Maria Mester