Kultur für alle: Theater-Tickets von der Tafel.
Vereine helfen Menschen, bei denen das Geld knapp ist
// KIEL/LÜBECK. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Musik, Theater, Film, Malerei, kurzum Kultur gehört zu seinen Bedürfnissen. Wenn das Geld knapp ist in Familien, wird schon das Ticket für zwölf Euro zum unüberwindbaren Problem. In Neumünster lindert die Kulturtafel diese Not schon seit drei Jahren, und auch in Lübeck gibt es jetzt einen gemeinnützigen Verein, der Kultur für alle möglich macht.
Kristine Goddemeyer hat die Sache energisch angepackt. Sie ist erste Vorsitzende und Geschäftsführerin der Lübecker Kulturtafel. Infiziert wurde die frühere Geschäftsführerin des Hamburger Mahnmals St. Nikolai an der Alster, wo die Idee seit 2011 unter dem Namen Kulturleben wirksam ist, weiter inspiriert von den Neumünsteranern. Was dort geht, muss doch auch in einer so kulturreichen Stadt wie Lübeck möglich sein, habe sie sich gedacht, sagt sie. Kultur für alle – in bisher 60 deutschen Städten haben Initiativen unter Namen wie Kulturtafel, Kulturlogen, Kulturleben oder Kulturraum, Kulturfüralle, Kulturliste, Kukuk, Kulturwunsch oder Kulturwerk gegründet, die Marburger Kulturloge war 2010 die erste.
Das Procedere in Neumünster und Lübeck ist so einfach wie einleuchtend: Interessierte melden sich unter Vorlage eines Einkommensnachweises bei der Kulturtafel an, geben ihre kulturellen Vorlieben – Theater, Oper, Kabarett, Jazz, Lesung – an und hinterlassen eine Telefonnummer. In einer Datenbank werden diese Angaben abgeglichen mit Angeboten der teilnehmenden Kultureinrichtungen, die ihrerseits nicht verkaufte Tickets zur Verfügung stellen. Im besten Fall erfolgt die telefonische Mitteilung, dass das Ticket an der Abendkasse bereitliegt. Dort sei ein weiterer Berechtigungsnachweis nicht nötig, eine mögliche Stigmatisierung wird damit umgangen, sagt Kristine Goddemeyer. Sie hat schon das Theater im Boot, das Schleswig-Holstein Musik Festival, die Musikhochschule, die Musik- und Kongresshalle, das Theater Combinale, die Petri- und die Marienkirche. Warum? „Kultur ist ein so wichtiges Allgemeingut, das jedem zugänglich sein sollte“, sagt SHMF-Intendant Christian Kuhnt.
Drauf zahlt dabei niemand, im Gegenteil. Vor schlecht gefüllten Rängen möchte kein Künstler spielen. Es geht aber auch darum, den Faden namens „Kulturkenntnis“ nicht abreißen zu lassen, denn wenn sich an der Bedürftigkeit etwas ändert, könnten die Kulturgäste von heute künftig zahlende Besucher sein, zumindest aber haben sie die Lust auf Kunst in ihren Familien verankert.
In Neumünster stehen nach drei Jahren deutlich mehr auf der Liste als in Lübeck, wo unter anderem die allgegenwärtige Possehl-Stiftung zunächst für ein Jahr für finanzielle Hilfe sorgt. Hier wie da sind weitere Sponsoren hoch willkommen. Kristine Goddemeyer ist nach allen Seiten offen. Direkte Hilfe von Stadt und Land gibt es derzeit noch nicht. Noch-Kulturministerin Anke Spoorendonk zeigt sich indessen beeindruckt von der flinken privaten Initiative. „Das ist ein lobenswertes Engagement“, schickt sie nach Lübeck. „Mit der Einrichtung von Kulturknotenpunkten im ländlichen Raum sorgen wir für die Sichtbarmachung von Kultur. Wir haben unseren Kulturknotenpunkten mit auf den Weg gegeben, die Möglichkeiten solche Aufgaben als ‚Kulturtafel’ mit zu prüfen.“ (Karin Lubowski)